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Was weiß unser Gehirn über die Wirklichkeit?

Aktualisiert: 16. Juni 2021

"The map ist not the territory" - die Landkarte ist nicht das Gebiet, so prägte Alfred Korzybski die neurolinguistische Welt.


Ich möchte Sie heute hinter die Kulissen dieser Grundannahme entführen und gemeinsam mit Ihnen die tiefen Auswirkungen auf unser Leben entdecken. Denn für mich bedeutet diese Grundannahme pures Verständnis und absolute Erleichterung im Umgang mit mir selbst und mit anderen Menschen.

 

Was nehmen wir wahr?

Lassen Sie uns mit der Fragestellung beginnen, wie wir die Welt wahrnehmen. Unser erster Zugang zu all den wundervollen Dingen da draußen erfolgt über unsere 5 Sinne: Visuell (sehen), auditiv (hören), kinästhetisch (tasten), olfaktorisch (riechen) und gustatorisch (schmecken).

Was schätzten Sie, wie viel von den äußeren Reizen unser Gehirn bewusst verarbeiten kann? Es sind tatsächlich weniger als 5%. Die restlichen >95% übernimmt unser Unbewusstes. Dieser Selektionsmechanismus ist unverzichtbar und daher ein sehr schlauer Filter unseres Gehirns ohne diesen wir "verrückt" würden. Einige derzeitig diagnostizierte psychischen Störungsbilder haben genau diesen Filter nicht. Das Gehirn nimmt zu viele Informationen bewusst wahr und kann nicht nach "relevant / irrelevant" filtern. Über die Klassifizierung dieses Zustandes in "gesund" und "ungesund" kann man sicherlich tiefe Diskurse führen.

Wir kommen später darauf zurück, wie diese ca. 5% zustande kommen.


Festhalten können wir an dieser Stelle auf jeden Fall die erste Einschränkung der Realitäts- bzw. Wirklichkeitswahrnehmung.

 

Wie nehmen wir wahr?

Der größte Anteil der Informationsselektion erfolgt bei der Mehrzahl der Menschen über den visuellen Kanal. Wir wachen also am Morgen auf, öffnen unsere Augen und blicken beispielsweise in die Augen unserer Liebsten. Eine schöne Vorstellung. Doch genau hier gibt es bereits den nächsten Abbruch von "der Wahrnehmung der Welt" durch unsere Sinne. Tatsächlich sind unsere Wahrnehmungskanäle, in diesem Fall der visuelle Kanal, nur Botschafter für unser Gehirn. Unsere Schaltzentrale sitzt tief eingebettet in unserem Kopf -umgeben von unserem Schädel, der Hirnhaut und dem Liquor.

Sie wird niemals die Gelegenheit haben, unsere Umwelt eigenständig wahrzunehmen oder zu spüren. Dafür braucht sie Botschafter - unsere Wahrnehmungskanäle. Mittels selbstgeschriebender Übersetzungsprogramme (elektrische Impulse) liest unsere Schaltzentrale die visuellen Codes, die unsere Augen aufnehmen und projiziert dadurch für uns ein Bild. Sie merken, auch hier kann es zu weiteren Verzerrungen der "echten" Abbildung der Realität kommen. Nun stellen Sie sich vor, der visuelle Kanal ist durch eine Sehschwäche eingeschränkt… da hat das Übersetzungszentrum einiges zu tun. Um die Sache zu verkomplizieren, sage ich ihnen, dass jeder Kanal seine Impulse an unterschiedliche Bereiche im Gehirn übermittelt und in einer unterschiedlichen Geschwindigkeit. Unsere Zentrale braucht also sehr gut ausgebildete Übersetzer, die in der Lage sind unterschiedliche Codes an unterschiedlichen Bereichen mit variierender Schnelligkeit zu entschlüsseln, um am Ende ein stimmiges Gesamtbild der aktuellen Umgebung zu projizieren- mit all den Farben, den Geräuschen, den Gerüchen & Geschmäckern und den Gefühlen, die die Umwelt zu bieten hat bzw. die wir über die verschiedenen Wellen empfangen.


Zu diesem Zeitpunkt haben wir also zwei Stufen der Wahrnehmungsselektion genauer kennengelernt, die uns Zugang zu der Außenwelt verschaffen. Zum einen die Verarbeitung der Sinneseindrücke durch das Bewusstsein und zum anderen die Übersetzung unserer Sinnesfilter.

Ich denke Sie können mir folgen, wenn ich festhalte, dass wir nun schon lange nicht mehr bei 100% Wirklichkeit sind.

 

Warum nehmen wir das wahr?

Lassen Sie uns eine weitere Stufe unserer Realitätsbildung anschauen. Nehmen wir an, unsere Übersetzer machen einen richtig guten Job und geben die äußeren Eindrücke "adäquat" an unser Gehirn weiter. Was passiert als nächstes? Wir verknüpfen diese Eindrücke innerhalb von weniger als einem Wimpernschlag mit unseren Erinnerungen, unseren Erfahrungen und Glaubenssätzen, ohne, dass wir dies bewusst mitbekommen. Unser Unterbewusstsein hat eine enorme Rechenkapazität und weiß viel mehr (Sie erinnern sich an die 95%...) als wir uns vorstellen können. Blitzschnell interpretieren und bewerten wir die Sinneseindrücke entsprechend unsrer Erfahrungen- unserer Landkarte.

Prof. Gerhard Roth, Doktor der Philosophie und der Biologie formulierte im Rahmen seiner Forschungsarbeiten zur Wirklichkeitsbildung: "Wahrnehmen ist Umgestalten von Informationen anhand erlernter Wahrnehmungs-Filter: Wir nehmen stets durch die "Brille" unseres Gedächtnisses wahr; denn das, was wir wahrnehmen, ist durch frühere Wahrnehmungen entscheidend mitbestimmt."

Für mich bedeutet das zum einen, diese Filter bestimmten bereits im ersten Selektionsprozess die höchstens ca. 5%, die bewusst im Gehirn ankommen und verarbeitet werden und zum zweiten, dass meine Wahrnehmung niemals der Wahrnehmung meines Gegenübers entsprechen kann, weil wir nicht dieselbe "Brille" tragen. Das heißt auch, unsere Landkarten werden niemals identisch sein.


Diese Erkenntnis, beziehungsweise das, was ich glaube daraus verstanden zu haben, fühlte sich für mich zunächst unangenehm an. Wie kann es dann sein, dass wir zu einigen Menschen eine tiefe Verbundenheit spüren und was bedeutet das für Aussagen wie "was wir schon alles zusammen erlebt haben..etc.".

Ich habe mich lange damit beschäftigt und bin mit vielen Kollegen/innen in den Austausch gegangen. Heute ist die Erkenntnis "deine Landkarte ist nicht gleich meine Landkarte", sprich: "deine Wahrheit ist nicht gleich meine Wahrheit" einer der Schlüssel zu absoluter Wertschätzung und Verständnis für mein Gegenüber und mich selbst geworden.

Es gibt nicht DIE Realität, nicht die Wirklichkeit.

Ein weiterer faszinierender Aspekt ist: die Realität, die Sie für sich wahrnehmen, ist wie ein Film, der einzig und allein für Sie produziert, individualisiert, gecastet und präsentiert wird.

 

Was kann ich daraus mitnehmen?

Jeder Mensch reagiert auf seine Landkarte- seine Realität. Diese Landkarte ist einzigartig. Umso wertvoller ist es für mich, mit einigen Menschen in meinem Leben, ein Stück Gebiet dieser Landkarte gemeinsam entwickelt zu haben, auch wenn meine Stadt darin etwas anders aussieht als ihre.


Ich möchte Ihnen noch einen weiteren Denkanstoß mitgeben:

wie viele Konflikte, die Sie aufgrund von Aussagen oder Verhalten anderer Personen geführt haben oder führen, ob mit sich selbst (die eigene Stimme kann ja sehr laut werden..), oder mit anderen - können Sie mit dieser Betrachtungsweise neu bewerten?

Sicherlich bedarf es wie immer Leben auch hier etwas Übung. Die Verantwortung und die Freiheit liegen bei Ihnen- sie dürfen jeden Tag neu entscheiden, wie Sie reagieren und wie Sie Ihr Leben steuern möchten. #Mindsetmatters


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